Ich bin, der ich bin Immer noch sitze ich in meiner Gefängniszelle. Morgen werde ich hingerichtet. Sie haben mich schon so oft getötet. Zuerst taten sie es mit blossen Händen. Dann mit Steinen, später mit goldenen Schwertern. Dann mit eisernen, stählernen Säbeln, noch schneller, mit Steinkugeln, Eisen, Blei - großer Hitze. Es war immer mein Nachbar. Es war der, der mit mir aß. Mal nannte er sich Spartaner, mal Helene, mal Perser, mal Römer. Auch Azteke, Inka, Nubier. Und all die Namen, die es sonst noch gibt. Ich bin, der ich bin. Eisberg Es ist nur eine weiße Spitze Die spitze, weiß wie von Schnee Von der Sonne beschienen, schießt in die Höh' das Dunkle, das Schwarze verbirgt sich darunter und der helle, klärende Blick zeigt Sicht auf ein Fürchterliches Der Schrecken, was den Einfachen aber nicht den Kokser erschrickt. Das Gute Das Gute in der Welt zu schaffen ist das Böse nicht zu tun selbst wenn Dir das Böse angetan wird. Drei Worte, Anfortas Du bist ein Teil meiner schwärenden Wunden Deine Worte schickst Du wie Schmeißfliegen aus In endloser Weite den Frieden gefunden und den Grund für meine Wunden auch Wenn Du die Nadel am Rand ansetzen willst verstehst Du nicht die persönliche Wirklichkeit Nie liest Du meine fliehenden, suchenden Worte Setzt alles mit Geld und Ordnung so gleich Drei Worte, Anfortas, und die Wunde wäre geheilt Doch sind sie selten geworden Während meiner Feder Poesie enteilt Am Wasser Alle Menschen leben am Wasser Sie alle essen vom goldenen Korn Doch wer trinkt das verdorbene Wasser, wer lebt vom vertrockneten Korn? Zu schicken den Todesengel mit der Idee auf der brennenden Zunge versklavt den Wunsch des Einfachen, Guten zu Rendite, zu vergoldetem Korn. Doch wer trinkt von der reizenden Lüge? Wer isst vom vergoldeten Korn? Reiß am Balken in Deinem Auge Dahinter vielleicht findest Du den Dorn. Abgrund des Tautropfens Die Türe im Wind, die Ausfahrt hinter'm Spinnenfaden Das große Tor, hinter der Sonne oder die Luke in den Mond Vielleicht das Flüstern im Staub oder das Licht der tiefsten Höhle Die Abkürzung, die hinter'm Herzen Die Treppe im Rauch oder im Abgrund des Tautropfens Doch es sind zwei braune Augen Ein Lachen, ein Kindermund meine Tochter Der Riegel vor dem Himmelsschlund. Raubengel II Die Farbe meines Gehirns Sie schreit in die ewigen Jagdgründe der Raubengel samten, schwarz, anschmiegsam wie ein Teufel liebkost er meine Zunge Aus mir bricht ein Drachen heraus GOTTES LIEBE Am siebten Tage, als Gott sich ausruhte, und seinen Hobbies nachging, Philosophie, Astronomie, Physik, Chemie, Philantropie, die er alle in speziellen Töpfen aufbewahrte, wurde er eines kleinen Tiegels am Rande des Ofens gewahr. Er erinnerte sich, daß er alle seine Hobbies in den Menschen angelegt hatte sie mußten sich schließlich in der Welt zurechtfinden. Er griff nach dem kleinen Gefäß, und das letzte, was er noch lesen konnte, ehe es am Boden zerschellte, war das kleine Wörtchen Wahrheit. Darum konnte der Schöpfer seinen besten aller Wesen nur die Scherben dieses kleinen Tiegels mitgeben, den er bei ihrer Schöpfung übersehen hatte. Und da alle Menschen eine kleine Scherbe des Tiegels haben, die ihnen kleinen, unscheinbaren Mikroben auf ihrer Steinkugel so unermesslich groß erscheinen, streiten sie sich heute noch darum, wer im Besitz der Wahrheit ist. Hätte Er gewollt Hätte Er gewollt daß wir uns nicht selbst verletzen Er hätte uns eine Haut gegeben so hart wie Stein. Hätte Er gewollt daß Worte nicht verletzen Er hätte uns kein Wort gegeben so stumm wie ein Fels muß sein Hätte er gewollt daß wir nicht sündigen Er hätte uns nur eine Wahl gegeben so klar wie eine Scheibe Glas Hätte er gewollt daß wir keine Schuld auf uns laden Er hätte uns ein Fenster wie Glas gegeben daß jeder darin lesen kann Hätte er gewollt daß wir nur Liebe geben Er hätte uns eine Haut gegeben so verletzbar wie nur eine Haut kann sein. Es blüht eine Blume Es blüht eine Blume neben jeder Oase, in jedem Bach fließt eine Handvoll Sand. Im Menschenauge erglüh'n alle Sterne aus Sternen selbst ist er erbrannt. Schenk mir den Blick, den Druck Deiner Hände Mit mir im Sande, die Sterne zu Land. Mars, Deine Tränen Mars, Deine Tränen, leih sie mir. Endlich gefunden an deinen rost'gen Schrunden Phobos und Deimos Bewachen sie. Sie berührt mich nicht Schmerzenengel, Scherbenstengel. Die Hand unter der Blase, Sie berührt mich nicht. Doch sie rührt, und rührt, und rührt sich Der Engel verläßt den Raum, der Junge, kaum. "Bleib." Und das Ausrufezeichen so klein wie ein Punkt. Was ist der Wind schon Was ist der Wind schon. Mal weint er Tränen, mal fächelt er heiter wie Glocken am Hauch meiner Seele meiner Sonne im Herzen. Die Schmerzen, ach, sie scherzen wie wild. Wie eine Wolke am Himmel so spüre ich mich. Nicht. Und nicht. Und tut doch weh. Jahresende Jahresende, Jahreswende. Wände zwischen Sonnenschein mauern mich in Lichter ein In Sternen-, wie in Sonnenlicht. Lichterbaum, Kranz aus Schatten Nadeln, gestochen scharf die Lichterschrift "Stirb!" nicht. Raubengel Zerwürfnisse wie Schluchten wie Krumen an den Buchten meines Brotes, meines Bootes so von Zweifeln satt gefressen Leid vergessen, schmerzvertilgt und noch nicht sattgeworden. Mundgestorben, Wortvertilgt Pilger, Nemesis. Zeitgefallener Engel, im Griff nach dem Leben erstarrt. Verharrt im ewigen Glas der zähen Unendlichkeit Einmal, einmal öffnet die Tür sich weit bis sie wieder schließt. Ein Raubengel fließt den Fluß hinab. wie Rauch An manchen Tagen kann ich - ach, würden sie nie vergeh'n die Sterne sehen. Ach, so nah über allem menschlichen Leid geben sie mir die über aller Zeit den Glanz, so weit ich verzeiht, weil ich nicht wie Rauch löst mein Wunsch zieh'n sie mich hinauf löst sich auf Narrenpopanz Ich weiß, daß Elektronen keine eignen Namen tragen und weiß, daß Neutronen keine Farben haben. Doch in ihrer eulerschen Potenzenmassen lassen sie sich zu Sternen, Planeten, Körpern zusammenfassen. Und wenn ich sage, ein Stein ist 4 Milliarden Jahre alt so meine ich nur seiner Struktur Gestalt. Die Idee, die die Materie gebiert Die Idee, die Quarks zu Teilen gefriert ist ewig die Bühne für Sternentanz für unseren irdischen Narrenpopanz Heile deutsche Welt Heile deutsche Welt zerreißt mich, schreit nach Geld Packt Drogen statt Hähnchen Packt Mariuhana statt Döner ein Und die Kinder essen fleißig verbrennen, jung wie Tannenreisig der grün am Baum im Brand verkohlt Derweil streife ich durch den Roggen Am deutschen Wesen Am deutschen Wesen soll die Welt genesen Am deutschen Wesen tat eine Welt verwesen In den Schützengräben von Verdun An den Stränden vor Caen In weißrussischen Dörfern Hält man doch Alexander den Großen hoch Nennt man Napoleon auch nicht "Arschloch" Schon, wenn die Welt der Verbrecher stirbt Gibt's ein neues Arschloch, das die Welt verdirbt. Und man einen "großen Feldherrn" nennt. Vor jedem Sieg steht ein Krieg Vor jedem Sieg steht ein Krieg Nach jedem Sieg steht wieder ein Krieg. Die gesäten Drachenzähne schmieden neue Pläne Der ermordeten Mutter Söhne verwesen nicht im Marsch Sie verwesen in Moor, Wiese, Marsch Unsichtbar, als Ackerblume als Knöchelchen, Namensplakette unter der Ackerkrume Vor jedem Sieg steht ein Krieg. Vor jedem Krieg ein Nein. Du darfst nicht töten! Nach unserem Sieg! Nie wieder Krieg! Manchmal möcht ich schreiben über Krieg. Manchmal singen, Käfer, Mai, flieg. Denn sie schreien: Nach unserem Sieg! Nie wieder Krieg! Wer denkt denn ein Sieg könnte jeden Krieg beenden. Beenden Kriege Beenden doch Siege nur Menschenleben. Butterblume Noch immer wächst die Butterblume unterm Fels Doch treiben neue bis der Fels zerbirst Kelch Er schenkt Liebe in den Kelch hinein Er trinkt Gift aus dem Kelch heraus Der Kelch bleibt der Gleiche doch wie eine Weiche stellt Stahl, eiserne Härte, das Leben neu. Verlust Meine Träume, verschäumt. Eine Liebe, noch eine, versäumt. Noch nicht mal geheult. Noch nicht mal geweint. Warum ist es Verlust, der Liebe mit dem Tod vereint? Brief aus dem Himmel Einen Brief aus dem Himmel Einen aus der Zimmerlautstärke Schweigen will gelernt sein, Reden kann man schon In einen goldenen Reif eingeprägt wie auf dem Ausschnitt eines Möbiusbandes: 16.12. (81) "Inge - wer?" Wenn ich auf eine Frage antworte - "Inge - wer?" meine ich damit vielleicht eine Gewürzknolle zitronenbitter und knoblauchscharf Wenn ich dann vom Engel im Heu rede oder von einem lässigen Fuß aus Japan oder einer albernen Jagd wie auch von einem Tennisspiel, tanzend kann es sein daß ich damit 5 Drogenhändler meine Es herrscht Meinungsfreiheit Es herrscht Redefreiheit Doch wenn Du die Namen nennst Können Sie Dich belangen. Wer mich kennt, kennt sie. Und sie sind nur die Spitze einer Drogennadel Spätsommer, Abschied Wie Schlauch und Stoff gewunden den ganzen Tag, den ganzen Himmel Blau hinter weißen Schwaden geschwunden Tupfer, rot, nicht braun, doch gelb Dunkles Grün, die Rasen welk Und Stille. Millionen, in den Süden geflogen. Ungepflogene Arbeitsmorgen Und die Vögel still. Ab und zu ein Grillensang. Wang an Wange mit dem Baum, ausatmend. Zeit, viel Zeit. Sommergaben Blau, Rot, Gelb, Orange. Die Wespenwaben. Voll, nicht still Summen wie Gehummel Und Stich an Stich - berühr mich nicht. Es tritt ein Grau hervor, ein Gelb, ein Leuchten. Still schweigen Staub und Weiher, die feuchten. A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Abgrund des Tautropfens Am deutschen Wesen Am Wasser Brief aus dem Himmel Butterblume Das Gute Drei Worte, Anfortas Eisberg GOTTES LIEBE Hätte Er gewollt Heile deutsche Welt Ich bin, der ich bin "Inge - wer?" Jahresende Kelch Mars, Deine Tränen Nach unserem Sieg! Nie wieder Krieg! Narrenpopanz Raubengel Raubengel II Sie berührt mich nicht Spätsommer, Abschied Verlust Vor jedem Sieg steht ein Krieg Was ist der Wind schon wie Rauch |