Über den Autoren Gedachte Weiteres Nachtschicht Hölzern Laute Strophen Gabersee Neue Gedichte Spätschicht Frühling Plötzlich - Fragmente Hoffnung Solitär Gedankenrose Flaschenzyklus Äste mit Flechten Zerr Riß en height les enfants du terror Neuanfang von den Blumen des Bösen Klagelieder Buntsandstein Unerwartet Das Buch der Dunkelheit Mehr Das Buch von Feldherr Claudius Die heile Welt des Strassenkehrers N. Maria Beyer-Görnert Rose Ausländer Paul Celan Selma Meerbaum-Eisinger | Die heile Welt des Straßenkehrers N. Einmal, montags, fährt Herr N. mit seinem werbunggeschmückten Besenwagen durch den Kasparow-Ring. Es lohnt sich, denn die Kids haben viel Müll hinterlassen. Manchmal muss er halten, denn eine Pizza-Schachtel wird nicht von den Bürsten erfasst. Dann nimmt er sein Greifgerät und hebt es in den Schmutzbehälter. Scherben, Plastiktüten, Papierfetzen, Kippen werden vom gierigen Schlund des geriffelten Schlauches eingesaugt. Einmal kommt Herr N. an einer Stelle vorbei, da liegen Pizza-Schachteln, Chips-Tüten, M-Packungen herum. Aber keine einzige Kippe. Jedes Mal, wenn er an dieser Parkbucht vorbeikommt, fällt ihm das auf. Sogar die roten Scherben eines zerschlagenen Autospiegels. In letzter Zeit hat das Fußballspiel auf dem Platz aufgehört. Kleine Kinder spielen, Eltern und Großeltern stehen dabei und es bietet sich ein buntes Bild. Ein großer Baum beschattet den Platz. Herr N. wohnt nicht hier. Sein Blick fällt nur einmal in der Woche auf das idyllische Stillleben, es gefällt ihm. Wer da am Wochenende herumsteht und keine Kippen hinterlässt, interessiert ihn nur in dem Moment, wo er die Parkbucht passiert. Die Wohnung des Dr. Stella. Dr. Stella wohnte mit seinen Kindern am Platz. Seine zwei Kinder gingen in den Kindergarten, der dann irgendwann umgezogen ist. Der neue Kindergarten bietet viel Raum, die Verhältnisse der alten Räumlichkeiten waren äußerst eng. Es war eine schöne Wohnung. Im Sommer schien bis zum frühen Nachmittag die Sonne in die hofzugewandten Fenster, am späten Nachmittag in die zum kleinen Hinterhof gerichteten. Im Winter waren die Verhältnisse nicht so schön. Doch das machte wett, dass die Wohnung wie ein Sandwich in andere beheizte Räume eingebettet war. Vom Zahnarzt darunter hörte man wenig, die Nachbarn waren den ganzen Tag in der Arbeit. Herr Stella konnte nicht arbeiten. Sein Doktortitel war noch nicht anerkannt, er war aus Bosnien geflohen. Auch die Einbürgerung dauerte noch an. So kümmerten er und seine Frau, die ihr Studium wegen des Krieges hatte abbrechen müssen, sich vor allem um die Kinder. Zum großen Hof hatte er eine Satellitenschüssel auf seinen Heimatsender ausgerichtet. Doch oft, wenn er den Fernseher einschaltete, um Nachrichten aus seiner Heimat zu sehen, war er zunächst damit beschäftigt, die Antenne neu auszurichten. Immer wieder knallten Bälle an die empfindliche Anlage, von den Schüssen gegen die Scheiben oder in die Wohnung hinein ganz zu schweigen. Herr Stella war ein geduldiger Mann. Er hatte immer wieder mit den Jugendlichen geredet, sie setzten sich aus Deutschen, türkisch-stämmigen und rußlanddeutschen Jungen zusammen. Immer wieder hatte er mit ihnen gesprochen, versucht, klarzumachen, dass hier Menschen wohnen und die Fenster und Mauern des Hauses nicht unbelebt waren. Es half nichts. Irgendetwas hatte diese jungen Menschen enthemmt, sie verhielten sich nicht so, wie man es von Menschen erwartete, denen man den Gebrauch des Verstandes zutraute. Es gab schließlich auch andere, die mal am Rande des Hofes standen, dann aber bald weitergingen. Mit ihnen konnte man reden. Doch was half das? Sie verhielten sich korrekt, die anderen nicht. Wieder einmal sah er Herrn N. in seinem Besenwagen vorbei brummen. Dieser Mann wusste nichts von den Problemen, die er hatte. Und nun auch noch das. Einer der jungen Männer hatte ihn provoziert, ihn gestoßen. Er hatte sich zurückgehalten, aber scharf seine Meinung gesagt. Und dann war dieser schwere Junge auf einmal über ihn. Es knallte ein paar Mal, und er fand sich am Boden wieder. Natürlich gelten auch für ihn alle Rechte eines Staates, der seine Bürger schützen will. Er erstattete Anzeige wegen Körperverletzung, um die Demütigung anzugehen und den Jugendlichen zu maßregeln. Doch dann kam der Tag, als er wieder einmal eine Aufenthaltsverlängerung beantragen musste. Auf einmal war in seiner Akte ein Vermerk, und es wurde schwieriger, die Verlängerung durchzusetzen. Er resignierte. Selbst dass er die kleinen Kinder einmal schützte, als ein vierzigjähriger Drogenabhängiger anfing, ihnen Spielzeug zu basteln, mit denen sie Korken abschießen konnten - aufgesägte Luftpumpen - er war alleine. Keiner stand ihm bei. Er wusste, dass hinter den Vorhängen Menschen standen, die nach draußen sahen und wussten, oder rätselten, was da ablief. Doch keiner half ihm. Nach einiger Zeit zog er in die Stadt, hier hatte er Ruhe, seine Kinder waren in einer geschützten Umgebung, und endlich ging auch seine Aufenthaltsverlängerung durch. Die Kampfkünste des Waldemar K. Waldemar K. war sauer. Er wohnte im ersten Stock, und bisher hatte er Ruhe gehabt. Die Jugendlichen, deren Gebrüll sich manchmal wie das Gebalze von Affen im Regenwald anhörte, hatten ihr Fußballfeld von der offenen Seite des Platzes vor seine Wohnung verlagert. Als es wieder einmal so knallte, dass die Scheiben des getroffenen Fensters zu schwingen anfingen, ging er nach unten und forderte ein Ende der Schießerei. Die Jugendlichen grinsten, und einer, recht stark gebaut, trat hervor und drohte, ihn zusammenzuschlagen, wenn er sie nicht gewähren lassen würde. Waldemar war sportlich und geschult. Also los, dann mach doch mal! Der Schwarzhaarige trat hervor und zielte mit der Faust auf das Gesicht von Waldemar. Waldemar tänzelte zur Seite, fasste hinter Faust und Ellenbogen zu, bog seine Hüfte dem Jungen entgegen, und mit Anwendung des eingesetzten Schwungs des Angreifers legte er diesen hinter sich auf den Boden. Der Schwarzhaarige ächzte, und in einem Bogen um Waldemar ging er zu seinen Freunden zurück, die betreten mit den Füßen scharrten und wieder zur anderen Hofseite abzogen. Nun konnte er wieder unbehelligt, in Frieden, in seiner Wohnung weiterleben. Gewalt war die Sprache, die diese Rotzbengel verstanden, und er hatte gewusst, was er anwenden musste, um sich Respekt zu verschaffen. Die Teekanne von Frau Friedrich Es war ein schöner Sommertag, und Katharina werkelte in ihrer Küche. Von draußen drangen die Rufe der Kinder von draußen herein, sie hatte das Küchenfenster und die im Wohnzimmer offen, um bei der Hitze Durchzug zu schaffen. Ihre Tochter kam zu Besuch, und sie bereitete den Wohnzimmertisch für das geplante Kaffeekränzchen vor. Sie öffnete die Türe ihres Geschirrschranks, als ein Schatten an ihrem Kopf vorbei blitzte und aus ihrem Schrank ein Scherbenregen platzte. Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, setzte sie sich hin. Auf dem Boden der Küche lag ein weißer Lederball, und überall verstreut weiße Scherben. Dann spürte sie ein warmes Kitzeln an ihrer rechten Hand. Vom Handgelenk wand sich ein roter Faden, als sie den Arm hob, ein Tropen Blut sammelte sich und fiel zwischen die weißen Scherben. Sie eilte in das Badezimmer und öffnete zitternd den Spiegelschrank. Legte die Pflaster bereit und öffnete den Wasserhahn. Das warme Wasser wusch die rote Spur bis auf ein paar Ränder weg, und sie konnte den Schnitt erkennen, den eine der Scherben gezogen hatte. Dann öffnete sie eine Flasche Jod, desinfizierte die Verletzung. Dann ein Pflaster darüber. Zu nähen war es nicht, doch sie wusste, dass die Verletzung aufgrund ihres Alters langsam heilen würde. Dann klingelte es an ihrer Türe, und über die Gegensprechanlage forderte eine junge Stimme in gefärbtem Deutsch, den Ball wieder herzugeben. Sie antwortete nicht, ging jedoch in die Küche und warf das Geschoss in den Hof zurück. Von nun an kippte sie ihre Fenster zum Hof nur noch. Der dreijährige Sohn von Frau Bongarden Frau Bongarden hatte es nicht leicht. Ihr Sohn war nun drei Jahre alt, der Vater zahlte keinen Unterhalt, und sie musste deswegen weiter bei ihren Eltern leben. Dabei war sie schon 20 Jahre alt. Es war nicht leicht in der Dreizimmerwohnung, miteinander auszukommen. Man konnte die Fenster nur auf eine Seite öffnen, zur anderen Seite waren die Verrückten dazu imstande, einen Ball in die Wohnung zu schießen. Gottlob hielten die Scheiben die Schläge aus. Heute hatte sie ihrem Sohn versprochen, mit ihm auf den neuen Abenteuerspielplatz zu gehen. Dort gab es ein kleines Häuschen, eher ein Zelt aus Holz, dieses und den Sandkasten davor liebte ihr Junge. Sandelzeug eingepackt, etwas zu essen und zu trinken, dem Kleinen die Schuhe anziehen und ein Käppchen auf den Kopf, ab in den Aufzug. Als sie unten ankam, war sie darauf konzentriert, dass der kleine den Eimer in der Hand behielt. Und das Mützchen saß schief. So sah sie nicht auf, als sie die Türe öffnete. Ein Schatten flog an ihr vorbei, es gab ein klatschendes Geräusch, eine weiße Kugel tanzte die Treppe hinauf und wieder hinunter. Irgendjemand stürmte an ihr vorbei, und schon war die weiße Kugel wieder verschwunden. Erst jetzt wurde sie gewahr, dass Martin am Boden lag. Seine Nase blutete, und dann fing er leise an zu wimmern. Ganz leise nur. Sie hob ihn, ohne noch irgendetwas zu spüren, vom Boden auf, und dann setzten die Tränen ein. Den ganzen Tag weinte sie nur noch. Als ihr Vater dem Jungen Eis in den Nacken legte, den kleinen Kopf zurück gebogen auf seinem linken Unterarm, und sie weinte noch, als ihre Mutter sie ins Schlafzimmer führte, und ihr die Hand hielt. Das grüne T-Shirt von Ailyn Aylin und ihre Schwester Anna spielten mit einer Freundin auf dem Hof. Sie beide hatten ein neues Hüpfseil geschenkt bekommen, in Regenbogenfarben, und unterhielten sich beim Hüpfen auch über ihre neuen Klassenkameraden. Gerade hatte die zweite Klasse angefangen, und ein paar Zugezogene benahmen sich noch seltsam, auch sprachen sie etwas anders als sie selber. Aylin hatte in einem anderen Bundesland gewohnt, und die bayerische Schule hatte von ihren Eltern verlangt, dass sie die erste Klasse noch einmal machen musste. Den Eltern war es nicht leicht gefallen, doch als sie mit den Hausaufgaben konfrontiert wurde, war sie um ihre Zustimmung froh gewesen. Aylin, die Freundin und Anna waren so auf Zählen, Schwingen und Hüpfen konzentriert, dass sie gar nicht die Neuangekommenen bemerkten. Aylin wurde mitten im Sprung in den Bauch getroffen, und aus dem blauen Himmel flimmerten auf einmal Sterne in ihre Augen. Dann kam der Schmerz. Aylin war stolz. Als sie wieder ihre Fassung zurück errungen hatte, nahm sie die Entschuldigung des Jungen an, der gleich weiter mit dem Ball tändelte und in der Gruppe seiner Kumpel aufging. Auf dem grünen T-Shirt zeichnete sich ein Wabenmuster ab. Ein graues, rundes. Fünfecke, Sechsecke. Aylin kam nicht mehr zum Spielen auf den Platz. Die Türe von Herrn Roman Herr Roman öffnete jeden Morgen um halb acht die Türe zu seiner Praxis. Er hatte einen vollen Terminkalender mit Patienten, und er ging im Kopf noch einmal die komplizierteren Fälle durch. Doch dieses Mal stockte ihm der Atem, als er den Schlüssel aus seiner Tasche ziehen wollte. Ein gelbes Gitter war auf den Boden gemalt, ein furchtbar vertrautes gelbes Gitter aus zwei sich kreuzenden Dreiecken. Gleichschenkelig beide. Dann schloß er die Türe auf und ging in die Putzkammer. Nahm einen Eimer, füllte ihn mit klarem, sauberen, warmen Trinkwasser. Mit dem und einem Schrubber ging er zurück vor seine Tür und schrubbte. Schrubbte, bis die letzten gelben Schlieren von den grauen Platten verschwunden waren und nur noch eine Lache die Schande zeichnete. Die Zähne von Monika M. Monika M. hatte es eilig. Nach dem Zahnarzttermin musste sie ihre Tochter vom Kindergarten abholen, sie hoffte, rechtzeitig dranzukommen. Dann saß sie in dem Raum, der typische Geruch von extremer Reinheit umfing sie. Dann, nach einer klirrenden Inspektion mit dem Zahnspiegel, begann der Bohrer in ihrem Mund zu arbeiten. Von der Scheibe her ein Knall. Ein Vibrieren, dann war Ruhe. Der Bohrer arbeitete emsig weiter, ließ sich nicht stören. Wie hatte der Mann das geschafft, so ruhig zu bleiben? Sie war selber innerlich zusammen gefahren, doch ihr Körper hatte das aufgrund der Anspannung unter der Behandlung nicht geschafft. Dann verschwand das Geschehen aus ihrem Gedächtnis, als der Bohrer den Nerv erreichte. Irgendwann war die Behandlung beendet, sie machte einen Folgetermin aus und eilte zum Kindergarten. Der Feierabend des Dr. Siman Herr Siman hatte das Wochenende genossen. Er war mit seiner Frau in den Alpen gewesen und hatten Gelegenheit gehabt, ausgezeichnete Naturmotive mit dem Fotoapparat einzufangen. Seine Frau schloß ihm die Türe zu den Arzträumen auf und eilte mit seiner Arzttasche zum Rechner, um ihn - da lagen Scherben. Nicht weit vom Fenster. Und in dem Fenster war ein rundes Loch. Durchgeschossen, beide Scheiben. Und dazwischen ein Ball, blaue und braune Streifen. Auf weißem Hintergrund. Sie und ihr Mann berieten. Die Versicherung musste verständigt werden, die Hausverwaltung. Und der Ball? Am liebsten hätte sie ihn in eine Tüte gepackt und im Müll entsorgt. Der Ball lag noch lange im Empfangsbereich und wartete darauf, abgeholt zu werden. Mit einerEntschuldigung, und irgend einem war er auch kostbar genug, dass er ihn nach einem halben Jahr zurückholte. Die Zuckerstangen von Herrn Barnabas Herr Barnabas sah, dass der Zeitungsstapel vor der Glastüre seiner Bäckerei auf den losen Journalen auflag. Alles klar, die Lieferung durchgehen. Doch ein Glitzern stoppte ihn. Da war irgendetwas auf dem Papier, auf den Bändern. Feine, kleine und auch größere Splitter. Er sah auf die Scheibe der Türe und sah sie intakt. Gut. Er ging in den kleinen Laden, holte einen Handbesen und kehrte die Scherben von den Zeitungen. Nahm sie mit nach drinnen, dann nahm er den großen Besen und kehrte die Scherben vor den Glasfenstern zusammen. Nun endlich ging sein Blick höher, als er die schmerzenden Wirbel wieder einrenkte, und fiel auf ein rundes Loch in dem Glasfenster über der Türe. Es war kleiner als ein Ball, vielleicht hatte jemand einen Stein dagegen geworfen? Er verständigte seinen Chef, und der sagte ihm er werde sich um alles kümmern. Dann kamen mit dem weißen Lieferwagen der Bäckerei auch schon Teilchen, Brötchen und Laibe, und musste sich auf das Einsortieren konzentrieren. Seine Kunden sprachen ihn dann auf das Loch in der Scheibe an, die späteren Kunden. Die hatten mehr Zeit und auch mehr Zeit, den Blick höher zu heben als die ersten, die unter Zeitdruck standen, Familie in Schule, Kindergarten und zur Arbeit, noch schnell ein zweites Frühstück für die Arbeit holen. Dann verschwand das Loch, die Erinnerung, das Gesprächsthema. Am Montag tuckerte der Besenwagen vorbei, ein paar Scherben mehr, nicht spiegelnd, keine rote Farbe. Frank Höflich Die Polizei hatte ihn angerufen. Ein Mieter der Wohnanlage hatte angerufen, eine große Scheibe des Jugendzentrums, ehedem der Kindergarten, sei zerschlagen. Es passte ihm nicht, es war halb zehn Uhr abends, und so was war doch die Aufgabe des Hausmeisters. Aber vielleicht waren es ja seine Jugendlichen, die er jeden Tag etwas anschob, immer näher an die Weiche heran, die sie etwas weiterführen sollte als das krumme Gleis, auf dem sie waren. Er nahm sein Rad und strampelte den Berg hoch. Nicht den Köbinger Berg. Außen herum, die Münchener Straße, die war flacher, und man konnte auch schneller fahren. Dann stand er vor der Scheibe und überlegte, wie er die vier scharfen Spitzen sichern sollte, die in das große Loch hineinragten. Er hatte etwas Pappe gefunden, Klebeband, Schere. Aber die Pappe reichte nicht für die riesige, offene Fläche. Dann hörte er ein Scharren, ein Mann kam heraus und sagte ihm, er habe die Polizei angerufen, wegen der Absicherung. Ein Betrunkener zum Beispiel könnte ohne weiteres ihn die Glasspitzen fallen, und Betrunkene gab es hier oben immer ein paar. Und dann am Morgen die Kinder. Darauf verschwand er und kehrte mit zwei Hartfaserplatten zurück. Damit konnte Frank dann die Lücken zwischen den Rändern schließen. Der Briefkasten des Dr. Roman Herr Roman war wieder punkt halb acht an seiner Praxis. Davor lag eine weiße Blechplatte, mit roten und schwarzen Schmauchspuren. Er registrierte das Erkennen in seinem Geist, sein Blick wanderte zum Briefkasten. Darin rote Papierfetzen, ein schwarzer Stern aus Pulverspuren. Das Geschäft des Glasers Z. Herr Z. war froh. Diese Häuser waren wie ein Abonnement auf Scherben. Fast jede Woche hatte er einen Auftrag, kleine Scheiben, große Scheiben. Die großen rentierten sich, die kleinen deckten gerade die Fixkosten. Das Prozedere war reine Routine. Er kannte die Glassorte auswendig, die immer wieder zu bestellen war, und oft fielen ihm schon die Maße ein, wenn er nur die zerschlagene oder zerschossene Scheibe auch nur erblickte. Einmal nur hatte es einen Austausch im ersten Stock gegeben. Was ihn nicht wunderte. Dort konnte man mit einer Stahlkappe nicht gut zutreten, und ein geschossener Ball verlor durch die Höhe an Wucht. Flach geschossene hingegen hatten alle Wucht aus dem Bein des Schützen noch in sich. Von Körperverletzungen hatte er noch nichts gehört. War auch nicht seine Aufgabe. Er hatte sich um die Scheiben zu kümmern, und die waren sein Gebiet. Epilog Am Montag morgen tuckerte Herr N. wieder mit seinem Besenwagen vorbei. Etwas spitzer Stahl blitzte auf, und bevor Herr N. erkennen konnte, dass auf dem Plastikröhrchen Linien eingezeichnet waren, verschwand das transparente Ding auch schon unter seinem Wagen, wurde von der Bürste zum Sauger und damit in den Müllsack befördert. Der athletische, etwas o-beinige Albert Jagd reichte eine brennende Zigarette an seinen Freund Densil weiter, der intensiv daran zog und an den neuen Gymnasiasten weiterreichte. Dieser zog auch, doch schüttelte ihn sogleich ein schwerer Husten. Grinsend wandte sich Densil Albert zu und drückte mit einer kurzen Bemerkung seine Befriedigung aus. Ein etwas angesäuselter Mann las eine Menge Kippen auf und entsorgte sie aus der vollen Hand in den Mülleimer an der Säule des Hofes. Dann besann er sich, holte sie aus der dunkelgrauen Tonne in mühevoller Kleinarbeit wieder heraus und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden. Die sechs Freunde trafen sich nicht mehr oft hier. Es störte sie, dass die dreizehn- bis fünfzehnjährigen auf den umliegenden Plätzen Fußball spielten, mit Toren, Rasen und so. Sie hätten sie gerne hier gehabt. Sie pfiffen, oder riefen leise, statt zu läuten, wenn sie ihre Freunde abholen wollten. Die meisten Eltern hatten von den Schwierigkeiten, die ihnen ein Verrückter, der gegen das Fußballschießen anging, gemacht hatte, genug. Und wollten die Kerle, die ihren Söhnen den Charakter verdorben hatten, nicht mehr bei sich haben. So hören sie es nicht mehr läuten, und die leisen Pfiffe und Rufe auf der Straße verschwanden schnell | |